Einzigartig: neue Hör- und Seh-Erlebnisse

Norden-Tidofeld, 03. Mai 2019

Multimedia-Guide in der Dokumentationsstätte - nicht nur für die Jungen

Besonders junge Leute wollen sie ansprechen, Schüler, Konfirmanden und andere, die mit dem eigenen Smartphone oder dem zur Verfügung stehenden Tablet hören und sehen wollen, wie es den Geflohenen und Vertriebenen ergangen ist, die nach dem zweiten Weltkrieg in Ostfriesland ein Zuhause fanden. Gestern stellten Lennart Bohne und Prof. Dr. Bernhard Parisius von der Dokumentationsstätte Gnadenkirche Tidofeld den neuen Multimediaguide der Presse vor.

15 Tablets sind angeschafft worden, um Gästen der Dokumentationsstätte künftig noch mehr Material für den eigenen Museumsbesuch oder für Studienzwecke zur Verfügung stellen zu können. So seien Audiointerviews aus der Zeit seit 1995 eingespielt worden, sagte Parisius. Dateien, die in der bisherigen - besonders auf Videointerviews ab 2009 basierenden - Ausstellung nicht hatten untergebracht werden können. Lennart Bohne erklärte den Vorteil der neuen Guides. Sie ermöglichten Nutzern, Informationen ganz anders zu kombinieren und gezielt aufzurufen. Es gebe zu verschiedenen Bereichen jeweils Texte, Bilder, Videodateien und Tonaufnahmen, die man sich über verschiedene Zugänge am Tablet oder dem eigenen Smartphone aufrufen könne. So gebe es Dateien zur Historie, zum Raum im Lager Tidofeld und weitere Lebensgeschichten.

Für ein Museum, sagte Parisius, sei es wichtig, die Ausstellungsgegenstände zu präsentieren, da sei der Designer gefragt. Aus Historikersicht aber blieben dabei Defizite. Durch den Guide könne jetzt wesentliches Material zusätzlich zur Verfügung gestellt bzw. erläutert werden. Als Beispiel zeigte Parisius einen in der Ausstellung bereits zu sehenden Brief von Jakob Kabus vom 4. März 1946, den er an den Bischof in Osnabrück geschrieben hatte. Ein Brief in Sütterlin-Schrift, den viele heute deshalb nicht mehr lesen können. Am Guide aber kann man jetzt die entsprechende Nummer eingeben und sich den Brief vorlesen lassen.

Parisius präsentierte gemeinsam mit Bohne auch erstmals ein Tondokument, in dem Erhard Jüsche erzählt, wie er sich dafür schämte, in offiziellen Schreiben und Bewerbungen als Heimatort „Baracke 3“ in Tidofeld angeben zu müssen. Während die meisten anderen darüber berichteten, wie dankbar sie gewesen seien, hier unterzukommen, erfahre man hier erstmals etwas über die Stigmatisierung der Bewohner, sagte der wissenschaftliche Leiter der Dokumentationsstätte, der auf die Vielzahl der Interviews verwies, die mittlerweile eingespielt worden seien. „Das ist einzigartig in Deutschland“, sagte Parisius, 70 Video- und 40 ältere Audiovideos gäbe es nur in Tidofeld.  „Und das wollen wir noch weiter ausbauen.“

Ein Grund, weshalb auch in Berlin im Dokumentationszentrum der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ein Schaufenster eingerichtet werden solle mit dem Hinweis auf die Gnadenkirche Tidofeld.

Mit Ute Meinert von der Sparkassenstiftung Aurich-Norden, Karina Töben von der LEADER-Region Wattenmeer-Achter sowie Nordens Bürgermeister Heiko Schmelzle ergriffen Förderer des Projekts gleich die Gelegenheit, den neuen Guide auszuprobieren.

Neben den Genannten unterstützte auch die Bürgerstiftung Norden das neue Angebot, dessen Kosten sich nach Angaben von Lennart Bohne auf 15 000 Euro belaufen. Der pädagogische Leiter in Tidofeld nannte auch Ideen, was der Guide, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen, ermögliche: Er solle neben weiteren Informationen, darunter Fotos, die der ehemalige Leiter des Lagers in Tidofeld zur Verfügung stellen wolle, auch mehrsprachig werden. Gedacht sei an Polnisch, Niederländisch und Englisch. Bohne verwies zudem auf die Unterstützung aus den eigenen Reihen zum Beispiel beim Einsprechen der Texte sowie die Begleitung des Projekts durch das Medienzentrum und seine Realisierung über das Norder Büro von Andreas Fleck, Diplom-Ingenieur für Software- und IT-Systeme.

 

                                 Mit herzlichem Dank an den Ostfriesischen Kurier (Text und Foto)!