Kirchenkreissynode stellt sich ökologischen Katastrophen - und diskutiert kontrovers
Ökologische Herausforderungen – christliche Verantwortung: Zu einer inhaltsreichen Kirchenkreissynode versammelten sich die Delegierten in der Norddeicher Arche. „Lasst uns dem Leben trauen, / weil Gott es mit uns lebt“: In diesen Taizé-Kanon nach Worten des Märtyrers Pater Alfred Delp hatte Ortspastorin Christiane Elster ihre Andacht zur Eröffnung der Kirchenkreissynode münden lassen. Ein Impuls, der die Delegierten durch den Abend und das schwergewichtige Thema tragen sollte: Reinhard Benhöfer, Leiter des Referats für Umweltangelegenheiten im Hannoverschen Landeskirchenamt, eröffnete die ökologische Bestandsaufnahme und ließ in seinem Impulsreferat von Beginn an alle Alarmglocken läuten.
Die „planetaren Grenzen der Regenerativität“ seien längst erreicht, „wir zehren von der Substanz“, unsre „Übernutzung“ der Schöpfungs-Ressourcen betreffe insbesondere die Biodiversität: Die ökologische Katastrophe für die Artenvielfalt sei überhaupt nicht mehr zu verhindern. Im Blick auf den Klimawandel müssten schnellstens drastische Schritte getan werden, sonst sei auch hier alles zu spät. Er halte es für „außerordentlich realistisch“, unter den Konsequenzen auch „grausame Verteilungskämpfe“ anzunehmen. Überhaupt sei der Klimaschutz eine Frage der Gerechtigkeit: Wer arm ist, emittiert wenig Kohlendioxid – wer viel hat, übernutzt die Erde in unverschämter Massivität.
Angesichts dieser Situation wolle die EKD – anders als die Bundesregierung, die bis 2045 „Klimaneutralität“ anstrebt – dieses Ziel schon 2035 zu 90 % erreichen, um die Lage anschließend linear um jährlich 1 % zu verbessern.
Dazu reiche Freiwilligkeit nicht mehr aus. In der Hannoverschen Landeskirche werde deshalb geplant, den Klimaschutz verbindlicher zu machen. Allerdings könne das nicht einfach verordnet werden, überprüfbare Ziele könnten nur vor Ort gesetzt werden: durch die Kirchenkreissynode (KKS) bzw. durch den Kirchenkreisvorstand (KKV). Darum plädierte Benhöfer für die Einführung eines „Energiemanagementkonzepts“, das auch durch die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit und Verkündigung offensiv zu vertreten sei. Insbesondere müsse es in jeder Kirchengemeinde eine(n) Energiebeauftragte(n) geben, vielleicht in Personalunion mit der Baubeauftragung.
Das Impulsreferat des landeskirchlichen Experten stieß allenthalben auf Zustimmung. Es bot die Basis für vier Papiere, die der Kirchenkreis-Ausschuss für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung vorgelegt hatte. Ausschuss-Vorsitzende Herma Heyken (Ludgerigemeinde Norden) eröffnete ihre Präsentation der wichtigsten Grundzüge mit dem Statement: „Die Zukunft des Kirchenkreises soll und muss verstärkt im Zeichen der Klimagerechtigkeit stehen!“ Ein weiter Weg läge vor uns, aber immerhin: „Wir fangen heute damit an.“ Und tatsächlich befürwortete die Versammlung mit übergroßer Mehrheit das Strategiepapier zur Förderung der Biodiversität auf kirchlichen Friedhöfen: Es zielt auf neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere, indem etwa durch Staudenbeete zur Urnenbeisetzung oder durch Bestattungen auf einer Streuobstwiese das Potential als „grüne Oase“ genutzt wird.
Komplizierter gestaltete sich die Diskussion um das zweite Strategiepapier, das die biologische Vielfalt auf kirchlichen Pachtländereien nutzen möchte. Die Handlungsempfehlungen wurden zwar tendentiell als zielführend erkannt, allerdings würden sich viele Punkte bereits in Überlegungen des sog. „Niedersächsischen Weges“ finden, die von Landvolk und Naturschutzverbänden gemeinsam unterstützt werden. So wurde das Papier am Ende einer kontroversen Diskussion einmütig zurück an den Ausschuss überwiesen, um diese Kompromisslinie und den von der Landeskirche beabsichtigten „Agrardialog“ aufzunehmen.
Auch die „freiwillige Selbstverpflichtung“ zur Bewahrung der Schöpfung – das dritte der vorgelegten Papier – gab den Anstoß zu leidenschaftlichen Diskussionen. Mit der Ausrichtung zeigten sich alle Rednerinnen und Redner einverstanden: Es sei dringend an der Zeit, Plastik- und Müll-arme Gemeinden zu entwickeln, eine verantwortungsvolle Beschaffung von Lebensmitteln durchzusetzen oder klimaneutrale Energie so sparsam wie möglich zu verwenden. Aber bei zahlreichen Detailfragen wurde schnell deutlich, dass eine Selbstverpflichtung auf sämtliche Einzelpunkte nicht realisierbar wäre und das Papier schlimmstenfalls zu Belanglosigkeit oder Heuchelei degradierte. So beschloss die Synode, dieses Konzept allen Kirchenvorständen zur Diskussion zu empfehlen – die jeweiligen Schlüsse müsse jeder vor Ort daraus ziehen.
Das vierte und letzte Papier fasste als „Konzept VII“ zu den landeskirchlichen Grundstandards „Gebäudemanagement und Klimaschutz“ die wichtigsten Grundlinien der anderen Vorlagen zusammen, ließ aber die Konkretionen vermissen. So fand es allenthalben Zustimmung, brachte nach zornigem Statement der Kirchenkreisjugendwartin Sandra Thies aber doch noch eine konkrete Weichenstellung hervor: Mit großer Mehrheit verpflichtete die Kirchenkreissynode sämtliche Kirchengemeinden dazu, innerhalb eines Jahres eine(n) ehrenamtlichen Energiebeauftragte(n) zu bestimmen. Spätestens die Herbstsynode 2023 wird sich wieder mit dem Thema beschäftigen und weitere Schlüsse ziehen: Schritte auf dem Weg zu mehr Verbindlichkeit.